Julia Hülsmann Quartett
Auf The Next Door kehrt Julia Hülsmann mit dem Quartett von Not Far From Here (2019) zurück und präsentiert ihre unverwechselbare pianistische Handschrift in einem abwechslungsreichen Programm, das beinahe ausschließlich aus Eigenkompositionen von ihr und ihren Kollegen – Tenorsaxophonist Uli Kempendorff, Marc Muellbauer am Kontrabass und Schlagzeuger Heinrich Köbberling – besteht. Der tiefe Respekt vor der Jazztradition, wie sie im Post-Bop und im Modalen Jazz der 60er Jahre gepflegt wurde, durchdringt diese Musik und schafft, in der eigenwillig modernen Auslegung des Quartetts, die Voraussetzungen für ausdrucksstarke Soli und intuitives Zusammenspiel.
Unprätentiös. Das ist das Erste, was auf- und einfällt, wenn man das neue Album des Julia Hülsmann Quartetts The Next Door in das Abspielgerät seiner Wahl legt. Dann: Organisch. Als müsse hier jeder Ton, jeder Klang, von Natur aus genau so sein, wie er ist. Und: Offen.
Denn das ist dieses Quartett, ein um Julia Hülsmann (Klavier), Marc Muellbauer (Bass) und Heinrich Köbberling (Schlagzeug) gewachsenes Trio eigentlich, das seit neunzehn Jahren zusammen spielt und schon immer gern den einen oder anderen Gast zum Mittun eingeladen, aber erst durch Tenorsaxophonist Uli Kempendorff zu einer echten Quartettform gefunden hat.
Kempendorff nämlich gelingt es nicht nur, dem immer leicht über den Dingen schwebenden, den Kopf in den Wolken habenden, ätherischen Triosound die eine oder andere Kante abzutrotzen, sondern auch, ihn zu erden. Eine Musik, die ganz greifbar ist, eben wie die Girls & Boys next door.
Eine Tür weiter geht also das zweite gemeinsame Album des Quartetts. Immerhin hat man auch in Lock- down-Zeiten oft miteinander geprobt, zahlreiche Konzerte gespielt und ist viel gereist, was nun in einem noch intensiveren Zusammenspiel gipfelt. Obwohl es schon beim Quartettdebüt basisdemokratisch zu- ging – schließlich brachten bereits hier alle Mitglieder ihre eigenen Stücke in die Platte ein –, ist die Auf- gabenverteilung jetzt noch einmal offener. Feste Rollen? Gibt es nicht.
Von epischem Flow über hochkomplexe, nur für Haushaltsangehörige durchschaubare Strukturen, durch die das Saxophon zu einer Art Erkundungsspaziergang einlädt, bis zu hypnotischen, afrobeatesken Grooves und inklusive dem für Hülsmann charakteristischen Coverstück, wie immer mit Riesenrespekt vor dem Original bearbeitet: das preisgekrönte Quartett der Pianistin und Komponistin – gleich für das erste Album „Not Far From Here“ gab es 2021 den Deutschen Jazzpreis für das beste Instrumentalalbum (na- tional) – erreicht mit dem Nachfolger „The Next Door“ auch das nächste Level.